Arschengel – Deine roten Knöpfe
- Mental- und Entspannungstraining Daniel Blank
- 2. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Es gibt Begegnungen, die schmerzen – nicht, weil uns jemand körperlich verletzt, sondern weil sie tief in unsere emotionale Innenwelt schneiden. Jemand sagt etwas scheinbar Banales, und du spürst, wie sich dein Inneres zusammenzieht: Wut, Angst, Trotz, Ohnmacht. Ein Gefühl von Kontrollverlust. Diese Person hat einen deiner „roten Knöpfe“ gedrückt – bewusst oder unbewusst.
Solche Menschen nennt man im spirituell-psychologischen Kontext gern „Arschengel“ – ein provokativer Begriff für ein tiefgreifendes Phänomen. Doch was steckt wirklich dahinter?
Was ist ein „Arschengel“ – und warum braucht man sie?
Ein Arschengel ist eine Person, die in uns starke emotionale Reaktionen auslöst – ohne objektiv „Schlimmes“ getan zu haben. Sie aktiviert unbewusste Muster, ungelöste Konflikte oder alte emotionale Wunden. Oft erkennen wir erst im Nachhinein, dass die Heftigkeit unserer Reaktion nicht der Situation an sich geschuldet war, sondern einem unbewussten Anteil in uns selbst.
Der Begriff stammt ursprünglich aus der spirituellen Psychologie – insbesondere aus der Arbeit von Robert Betz – und meint:
Menschen, die dir emotional „auf die Nerven gehen“, sind in Wahrheit Katalysatoren für deine eigene Entwicklung.
Sie fordern dich heraus, dich mit deinen unbewussten Reaktionsmustern auseinanderzusetzen – und damit mit den Teilen in dir, die Heilung suchen.
Die Wissenschaft dahinter: Trigger, Emotionen und unbewusste Muster
Das, was wir im Alltag als „roten Knopf“ erleben, ist aus neurobiologischer Sicht oft eine implizite Erinnerung an eine frühere, emotional aufgeladene Erfahrung. Laut der Traumaforschung (u. a. Bessel van der Kolk, Peter Levine) speichern wir traumatische oder emotional prägende Erlebnisse nicht nur als kognitive Erinnerung, sondern auch als körperlich-emotionales Muster. Diese sogenannten „emotionalen Gedächtnisspuren“ können durch einen scheinbar banalen Reiz (ein Blick, ein Tonfall, ein Satz) wieder aktiviert werden – ganz ohne dass wir bewusst verstehen, warum wir so reagieren.
Auch in der Bindungstheorie nach John Bowlby und Mary Ainsworth finden sich Parallelen: Frühe Beziehungserfahrungen prägen unsere innere Arbeitsmodelle von Nähe, Vertrauen, Sicherheit und Ablehnung. Werden diese unbewusst in der Gegenwart getriggert, reagieren wir nicht auf den aktuellen Menschen, sondern auf ein inneres Beziehungsmuster aus der Vergangenheit.
Beispiel:
Ein Kollege übergeht dich im Meeting. Du spürst Ärger, vielleicht sogar tiefe Enttäuschung. Objektiv ist nichts Dramatisches passiert. Doch emotional fühlst du dich „nicht gesehen“. Wenn du zurückspulst, erkennst du vielleicht: Dieses Gefühl begleitet dich schon lange. Vielleicht wurdest du als Kind oft überhört oder musstest dich ständig beweisen. Der Kollege ist nur der Auslöser – der Arschengel. Die eigentliche Ursache liegt tiefer.
Warum wir Arschengel brauchen (auch wenn wir sie hassen)
Arschengel sind unbequem. Sie bringen uns raus aus dem Gleichgewicht, berühren unsere Schwachstellen. Und genau deshalb haben sie eine wertvolle Funktion:
Sie machen Unbewusstes bewusst.
Sie helfen uns, alte emotionale Wunden zu erkennen – und möglicherweise zu heilen.
Sie zeigen uns, wo wir noch in Reaktionsmustern stecken statt in bewusster Selbstverantwortung.
Die moderne Emotionspsychologie (z. B. Lisa Feldman Barrett) beschreibt Emotionen nicht als starre Reaktionen, sondern als Vorhersagemodelle unseres Gehirns, die auf früheren Erfahrungen basieren. Was wir fühlen, ist also oft das Ergebnis einer gelernten Interpretation – nicht zwingend der Realität. Arschengel bringen diese Interpretationen an die Oberfläche – und damit die Möglichkeit, sie zu hinterfragen.
Vom Trigger zur Transformation: Wie du deine roten Knöpfe nutzt
Der entscheidende Schritt besteht darin, nicht im Außen zu bleiben, sondern die Aufmerksamkeit nach innen zu richten. Die folgenden Fragen helfen dabei:
Was genau hat mich so verletzt – und warum?
Ist meine Reaktion angemessen zur Situation – oder übersteigert?
Welche alten Erfahrungen könnten hier mitschwingen?
Was will in mir gesehen, gefühlt oder beachtet werden?
Es geht nicht darum, das Verhalten des anderen zu entschuldigen. Sondern darum, deine emotionale Autonomie zurückzugewinnen. Jeder Trigger ist ein Hinweis auf etwas in dir, das noch Aufmerksamkeit braucht.
Der versteckte Segen des Arschengels
Arschengel sind nicht unsere Freunde – jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn. Aber sie sind Wegweiser auf unserem inneren Weg. Sie führen uns zu verborgenen Schmerzpunkten, alten Überzeugungen und inneren Kind-Anteilen, die nach Anerkennung und Heilung verlangen.
Indem wir ihnen nicht nur mit Abwehr, sondern auch mit Neugier begegnen, kann ein neues Kapitel beginnen: Ein Weg zu mehr Selbstverantwortung, innerer Klarheit und emotionaler Freiheit.
Vielleicht wirst du beim nächsten Mal nicht direkt „Danke“ sagen, wenn jemand wieder einen deiner Knöpfe drückt. Aber vielleicht wirst du wenigstens verstehen, warum es dich trifft – und was du daraus lernen darfst.
Und irgendwann erkennst du:
Der größte Stressfaktor in meinem Leben war vielleicht auch mein größter Lehrer.
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